Teil 3: Vikariat von Mark Adler
Mit Mitgefühl und Distanz
EKHN/Rummel
17.06.2020
asw
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Es ist still an diesem Mai-Nachmittag auf dem neuen Friedhof in Georgenhausen. Eine Amsel singt auf einem Baum. Abseits des Hauptweges steht ein kleines Grüppchen Menschen auf einer Wiese. Eine Beerdigung unter freiem Himmel, mit wenigen Menschen. So geben es die Beschränkungen infolge der Corona-Pandemie vor. Es ist die erste Beerdigung von Mark Adler. Spontan singt er am Grab „So nimm denn meine Hände“. Drei Strophen. „Ich wollte nicht, dass die Angehörigen das Gefühl von Schmalspur-Corona-Bestattung haben“, sagt der angehende Pfarrer, der bis vor kurzem noch Opernsänger war, später. „Wenn ich das schon kann, versuche ich es zu nutzen.“
Alles anders durch Corona
Bei der Vorbereitung zur Trauerfeier hatte er sich vorgenommen zu singen, aber nur, wenn er keinen Kloß im Hals hat. Das Gespräch mit den Angehörigen sei ihm schon nahe gegangen, erzählt Mark Adler. „Da liegen die Herzen so offen.“ Aber er habe auch das Gefühl gehabt, er dürfe sich nicht selbst emotional so sehr hineinbegeben. „Ein bisschen Distanz braucht man.“ Die Verstorbene war eine ältere Dame aus dem Ort, sie verstarb im Krankenhaus. „Es ist ein großes Problem, dass die Angehörigen nicht zu den Sterbenden dürfen“, sagt Mark Adler, „das ist irgendwie entmenschlicht.“ Der Witwer hatte sich eine Aussegnung gewünscht. Auch das war nicht möglich.
Mark Adler hat eine Kerze zum Trauergespräch mitgebracht, mit dem Ehemann am Anfang ein Gebet gesprochen und am Schluss die Kerze für die Verstorbene angezündet. Lehrpfarrer Joachim Kühnle war beim Trauergespräch dabei. „Man muss genau hinhören, um die Gefühlslage der Menschen zu erfassen“, sagt der Vikar. „Sie erwarten Trost und ein gutes Wort.“ Die Traueransprache, die Gebete, den Ablauf der Bestattung hat der Vikar daraufhin ausgearbeitet und mit seinem Lehrpfarrer abgestimmt.
Normalerweise würde er allen Angehörigen auf dem Friedhof die Hand schütteln, sie nach ihren Namen fragen und sich so einen Überblick über die Familie verschaffen. Normalerweise würde am darauffolgenden Sonntag auf dem Altar in der Kirche eine Kerze für die Verstorbene entzündet. Doch durch Corona ist alles anders. Kein Körperkontakt, Abstandsregeln zwischen den Menschen, Schutzkonzepte für Kirchen.
Übungen per Videokonferenz
In der Pfarrerausbildung sind auch praktische Übungen zu Beerdigungen im Predigerseminar in Herborn vorgesehen. Durch Corona und den Lockdown waren auch die hinfällig, sie wurden durch Videos und Videokonferenzen ersetzt. Die drei Seminarwochen seien eine echte Herausforderung gewesen, sagt der 52-Jährige, eine Videokonferenz nach der anderen, dazu Homeschooling der Tochter, der Gesangsunterricht seiner Frau per Skype und der ganz normale Alltag. Um ein Gefühl für Beerdigungen zu bekommen, war Mark Adler außerdem bei mehreren Beerdigungen seines Lehrpfarrers dabei.
„Ich hatte das Glück, dass mein Schulpraktikum ganz normal zu Ende ging“, sagt Mark Adler. Beim Nachfolgekurs sei das anders gewesen. „Corona beeinträchtigt die Ausbildung nicht unerheblich.“ Es gebe keinen Schul- und keinen Konfirmandenunterricht, die Gemeindearbeit sei so eingeschränkt, dass man viel weniger mitbekomme als unter normalen Umständen.
Dafür war in den vergangenen Wochen viel Flexibilität gefragt: Die Reinheimer Pfarrerinnen und Pfarrer haben sich zu Andachten in den Reinheimer Nachrichten abgesprochen, die dann auch in den Briefkästen der evangelischen Haushalte verteilt wurden. Dank Mark Adler ist die Kirchengemeinde nun auch bei Facebook vertreten. Er führte Seelsorge-Gespräche am Telefon.
Aufgewachsen in Berlin studierte Mark Adler nach dem Abitur Gesang und arbeitete jahrzehntelang als lyrischer Tenor an verschiedenen Bühnen. Seit 2005 lebt die Familie in Südhessen, seit knapp sechs Jahren in Eberstadt. Die Jungs sind inzwischen 20 und 18, die Tochter elf Jahre alt. Mit Ende 40 entschied sich Mark Adler, seinem Leben eine neue Wendung und mehr Sinn zu geben und begann in Heidelberg den berufsbegleitenden Masterstudiengang Theologie. Seit 1. September 2019 ist er im Vikariat, also der praktischen Ausbildung für den Pfarrberuf, in Georgenhausen-Zeilhard.
„Stück für Stück wächst man weiter in die Rolle hinein“, sagt der angehende Pfarrer. Die Corona-Auflagen führten zu ungewohnten Situationen, wie zum Beispiel bei den Trauergesprächen. Seelsorge finde nun häufig auch zwischen Tür und Angel statt. „Es ist anders, aber es geht.“
Text: Silke Rummel
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