Positionieren und sagen, was evangelisch ist
Die Gemeindepädagogin Regine Kober-Gerhard hat viel Erfahrung mit Kinder- und Jugendarbeit, jetzt baut sie ein Familienzentrum auf
Wer in einer Kirchengemeinde oder im Dekanat mit Kindern und Jugendlichen zusammenarbeitet und Angebote für die ganze Familie vorbereitet, steht immer vor einer zentralen Frage: Wann hat eine Familie Zeit, Veranstaltungen zu besuchen, zu einem besonderen Gottesdienst zu kommen oder sich an einem Projekt zu beteiligen? Die Stunden, die Mutter und Vater gemeinsam mit ihren Kindern verbringen, haben im Business- und Internet-Zeitalter abgenommen.
Werktags ist der Nachwuchs in der Betreuung untergebracht, wenn die Eltern das Geld für den Lebensunterhalt verdienen und sich beruflich engagieren. Da ist das Wochenende Vielen heilig, allerdings im privaten Sinne. Eltern fühlen sich mitunter von ihrem schlechten Gewissen unter Druck gesetzt und wollen samstags und sonntags mit Sohn oder Tochter möglichst viel unternehmen. Manche kommen bei der schmalen Gratwanderung ins Rutschen, weil sie zu viele Events in den Moment packen und das Wochenende hektisch wird. Aktionismus und Reizüberflutung sind schnell ein Thema. Weniger ist mehr. Qualität statt Quantität. Das gilt auch für das Zusammensein in der Familie und die Angebote der Kirche, die von der Gemeindepädagogin Regine Kober-Gerhard konzipiert werden.
Wann also ist die Kirchengemeinde mit ihrem Angebot für Familien attraktiv? Regine Kober-Gerhard hält den frühen Sonntagvormittag für problematisch. Kurz vor dem Mittag sei es besser, nachdem die Familie in aller Ruhe gemeinsam gefrühstückt hat Ein Gottesdienst um 11 Uhr und danach ein Fest, ein gemeinsames Mittagessen, Spiel, Spaß, Musik, Begegnungen, Gespräche ‑ das passt“, sagt die Gemeindepädagogin des Dekanats Dreieich, die in der Kirchengemeinde in Egelsbach, einer kleinen Kommune im Süden des Kreises Offenbach, arbeitet. Angebote für Familien zu organisieren, das ist ein Schwerpunkt der Arbeit der Gemeindepädagogin. Regine Kober-Gerhard ist nicht nur wegen ihres Studiums in der Kirchlichen Gemeindepraxis, ihrer Ausbildung als systemische, lösungsorientierte Beraterin und wegen der rund 30-jährigen Erfahrung in ihrem Beruf bei der Evangelischen Kirche Fachfrau für Familien. Als Mutter von drei erwachsenen Töchtern weiß sie, wovon sie spricht und welche Themen Familien interessieren.
„Die Evangelische Kirche ist für mich ein guter Ort zum Arbeiten“, sagt die Pädagogin. In den vergangenen Jahrzehnten hat die Darmstädterin im Dekanat, in der Kirchengemeinde und temporär im Zentrum Bildung viele Aufgabe wahrgenommen und sich dem ganzen Spektrum kirchlicher Gemeindearbeit beschäftigt: Konfirmanden, Krabbelgottesdienste und Kongresse zur Gemeindepädagogik standen auf ihrer Agenda. Außerdem hat sie in der Kirchengemeinde in einem Team mit Ehrenamtlichen das „Café Mama“ aufgebaut, Kinderbibelwochen organisiert, den Weltgebetstag und Ökumenische Frauengottesdienste vorbereitet oder etwa an der Grundschule in Egelsbach und einer Gesamtschule in Darmstadt Religion unterrichtet.
Besonders interessiert hat sich Regine Kober-Gerhard dabei stets für die Feministische Theologie, eine geschlechtergerechte Sprache in der Kirche sowie die Rolle der Frau in der Gesellschaft allgemein und im Besonderen in Kirchengemeinden. Darum drehte sich auch ihre Diplomarbeit. Bei meiner Arbeit ist es mir wichtig, im Team eingebunden zu sein“, sagt sie. Bei den Veranstaltungen und in der Projektarbeit kommt es ihr nicht zu sehr darauf an, „ob da Hunderte von Menschen rumspringen. Wenn auch nur zehn Leute dabei sind, sich beteiligen und für sich etwas mitnehmen, ist das super“, so Regine Kober-Gerhard.
Sie freut sich auf ein neues Projekt. In der Kirchengemeinde Egelsbach soll ein Familienzentrum aufgebaut werden. Die ersten Schritte sind gemacht, der Prozess ist in Gang gesetzt. Die EKHN in Darmstadt greift der Basis unter die Arme und hat eine Anschubfinanzierung geleistet. Wichtig ist für Regine Kober-Gerhard dabei, dass unter dem Dach der Evangelischen Kirche ein starkes Netzwerk mit einem breiten Spektrum an Aktivitäten für die ganze Familie entsteht. Dabei sollte man unbedingt über den Tellerrand schauen und ganz unterschiedliche Gruppen, Organisationen und Vereine motivieren, sich im Familienzentrum einzubringen. „Gutes zusammenbringen, Angebote koordinieren und verbinden, auf andere zugehen und in kreativer Teamarbeit Synergien nutzen“, so beschreibt die Gemeindepädagogin die Aufgabenstellung des Familienzentrums. Auf dem Weg dahin müssten auch Sponsoren gefunden werden, die sich mit bestimmten Projekten identifizieren und diese unterstützten.
Bei allem, was die Evangelische Kirche anbietet, sollte das Dekanat stets deutlich machen, für was oder wogegen man sich entschieden habe. Die Gemeindemitglieder und andere Besucher der Veranstaltungen müssen nach Ansicht von Regine Kober-Gerhard erkennen können, wie sich die Evangelische Kirche zu einem Thema positioniert hat. Sie plädiert dafür, Farbe zu bekennen. „Die Kirche sollte den Menschen sagen, was evangelisch ist.“
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