Das Berufsportal der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau

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Das Berufsportal der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN)

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    Zu jeder Tages- und Nachtzeit habe ich mein ganzes Orchester vor und mit mir

    EKHNFoto von Susanne Rohn, Kantorin der Erlöserkirche in Bad HomburgFaszination Orgel: Ich kann mit ihr die vollständigste, polyphonste, harmonisch kühnste Musik spielen, die man alleine darstellen kann.

    Manchmal sage ich halb scherzhaft, halb im Ernst: „Ich bin Kirchenmusikerin geworden, damit ich immer einen Kirchenschlüssel bei mir habe.“ Schon immer habe ich mich gern in Kirchen aufgehalten. Ich liebe die Ruhe, die Weite des Raums, die Kühle im Sommer; bei bedeutenden Kirchen liebe ich die Kunst, die darin versammelt ist, die Geschichte, die darin spürbar ist, bei unbedeutenden Kirchen liebe ich die Einfachheit und die Konzentration, die mir darin möglich ist. Ich bin verbunden mit den vielen Menschen, die in diesen Räumen Gott gesucht haben. Und ob-wohl ich mein halbes Leben in Kirchen verbracht habe und seit 22 Jahren „direkt neben den Glocken“ wohne (zunächst in einem kleinen Schwarzwalddorf, jetzt seit 16 Jahren an der Erlöserkirche Bad Homburg), sind sie für mich noch immer besondere Orte – Gotteshäuser eben!

    Deshalb bin ich auch gerne Organistin. Wenn ich im Fuldaer Dom oder in der Frauenkirche Dresden ein Konzert spiele, kann ich die Nacht davor alleine in diesen unglaublichen Kirchen verbringen– eine große Freude! Aber auch aus musikalischen Gründen spricht viel für die Orgel: Ich kann mit ihr die vollständigste, polyphonste, harmonisch kühnste Musik spielen, die man alleine darstellen kann. Ich habe zu jeder Tages- und Nachtzeit mein ganzes Orchester vor und mit mir. Und ich bin stilistisch vom Mittelalter bis in die Jetztzeit unterwegs – mit Meisterwerken nicht zu knapp, aus jeder Epoche. Dies ist übrigens ein Pluspunkt auch des Dirigierens: Auch hier kann man sich in allen musikalischen Stilen austoben. Als Kirchenmusiker arbeitet man dabei mit Menschen aller Altersgruppen zusammen – welche Vielfalt, welcher Reichtum!

    Wenn ich mir beim Chorleiten Mühe gebe und es gut mache, kommt unglaublich viel zurück: Von den Chören, wenn sie nett sind (und sie sind nett, wenn ich nett bin!), aus der Gemeinde, von den Musikern, vom Publikum… Wie oft ist es mir schon passiert, dass mein Einkauf im Städtchen länger gedauert hat als geplant, weil mich Passanten auf eine Veranstaltung angesprochen haben. Diese Verzögerungen nehme ich doch gerne in Kauf! Denn – ein weiterer Pluspunkt des Kirchenmusikerberufs – ich kann mir ja meinen Tagesablauf weitgehend selbst einteilen.

    Allerdings gibt es sehr, sehr viel Arbeit. Und in diesem Zusammenhang will ich nicht verhehlen, dass mich in letzter Zeit eine Entwicklung etwas frustriert: Das Verhältnis der Zeit, die man mit dem Musikmachen verbringt zu der Zeit, die man mit organisatorischen Dingen zubringt, ist nicht mehr ausgewogen. Am Ende meines Studiums sagte ich ab und zu: „Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht“. Heutzutage muss ich eher sagen: „Ich habe meinen Beruf zum Hobby gemacht!“ In den viel zu seltenen Fällen des Übens sitze ich oft mit schlechtem Gewissen am Instrument und denke: „Eigentlich sollte ich ja dringend den Pressetext schreiben. Und Herr Soundso wartet auch seit zwei Tagen auf meinen Anruf“ usw. Das ist nicht gut. Es ist erstaunlich, dass die vielen Arbeitserleichterungen, die der Computer ermöglicht (die Probenpläne mit einem Mausklick verschicken anstatt früher per Post o.ä.), die vielen neuen Anforderungen nicht aufwiegen, welche die computerisierte Welt gebiert (wie viel Zeit verbringen wir mit der Pflege unserer Homepage oder ähnlichen Dingen!) Auch beobachte ich an mir selber, dass mit steigenden Dienstjahren und dadurch steigender Bekanntheit und Vernetzung immer mehr Ideen an mich herangetragen werden – das bedeutet, immer mehr Gespräche, Sondierungen, Brain-Storming-Treffen usw.

    Manchmal sind wir mehr Kulturmanager plus unsere eigenen Sekretäre – anstatt Musiker! Dieser von mir eigentlich nicht geschätzten Tatsache versuche ich dennoch positive Seiten abzugewinnen. Ich kann auf diese Weise ein klein wenig die gesellschaftlichen Tendenzen beeinflussen und dazu beitragen, dass das gefördert wird, wovon mein Herz voll ist und was ich gerne weitergeben möchte: die Liebe zur Kunst und zum christlichen Glauben.

     

    Susanne Rohn

     

     

     

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