Wer sich auf ein berufsbegleitendes Studium einlässt, sitzt nicht immer am bequemsten, aber gewinnt einen neuen Überblick
Heiko Heidusch, 47 Jahre, Familienvater, studierter Jurist und Leiter der Abteilung für Airline-Partnerschaften bei der Lufthansa Group. Was treibt jemanden, der mit leuchtenden Augen von seinem Beruf, seinem Team und den Herausforderungen erzählt, dazu, nebenberuflich noch ein Theologiestudium zu absolvieren? Ist dafür überhaupt Platz?
Anja Schwier-Weinrich (ASW): Hallo Herr Heidusch, wie sind Sie zum MainMaster Studiengang gekommen?
Heidusch: Es hat viele Etappen gegeben, bevor ich diese Form des Theologiestudierens für mich entdeckt habe. Ein kurzer Abriss könnte so aussehen:
- Nach der Konfirmationszeit wurde ich angesprochen, bei den Jugendgottesdiensten meiner Heimatgemeinde mitzuwirken. Im Alter von 14 bis 20 war ich dort verantwortlich für die Liturgie, was mir viel Freude gemacht hat.
- Im Zivildienst hatte ich mir als persönliches Projekt vorgenommen, einmal die gesamte Bibel zu lesen. So habe ich mich durch die Stuttgarter Erklärungsbibel durchgearbeitet und es stellte sich die Frage für ein Theologiestudium: Ist mein Glaube groß genug?
- Als ich mich dann für Jura entschied, spürte ich die Enttäuschung der Gemeindeleitung, die mich damals schon auf dem Weg ins Pfarramt gesehen hatte. Aber neben dem Punkt, dass mich eben auch Jura interessierte, ist es vielleicht nicht untypisch, wenn man aus einem Nichtakademiker-Haushalt stammt und es an die Universität schafft, dann nicht unbedingt eine Geisteswissenschaft zu studieren.
- Nach dem Jurastudium und dem Referendariat erlebte ich in den ersten Tätigkeiten in einer Kanzlei, wie sehr man als Anwalt, aber auch Richter vereinzelt arbeitet. Ich wollte gerne in einem Team sein, einer größeren Struktur, miteinander Dinge entwickeln und so kam ich zur Lufthansa. Eine Faszination für die Fliegerei hat natürlich auch eine Rolle gespielt – neben dem technischen Vorgang geht es auch hier darum, Menschen zusammenzubringen.
- Erst arbeitete ich als Jurist und dann im Bereich der kommerziellen Airline-Partnerschaften,- das heißt Verhandlungen mit anderen Luftfahrtunternehmen führen, wenn es um Anschlussflüge zu Destinationen geht, die Lufthansa nicht anfliegt – oder umgekehrt. Bei einer dieser Verhandlungen erzählte ein Kollege aus England, dass sein Vater, ein ehemaliger Polizist, nun Reverend der Anglikanischen Kirche sei. Er habe berufsbegleitend ein Theologiestudium gemacht. Wäre das nicht das richtige für die vielen Fragen an meinen eigenen Glauben, auch ohne Absicht, Pfarrer zu werden? Gibt es das nicht auch in Deutschland?
- Diese Frage brachte mich im Jahr 2015 zur Homepage der Universität Marburg und den dortigen Masterstudiengang.
ASW: Warum hat es dann noch länger gedauert, bis sie 2020 mit dem MainMaster begonnen haben?
Heidusch: Heute würde ich sagen, damals begann die "Infektion", das Studium nebenbei zu wagen, aber ich war noch nicht bereit. Der Marburger Studiengang Master of Theology (M.TH.) startet alle drei Jahre, das hieß 2016. Mir war klar, dass ein nebenberufliches Studium Zeit braucht und es gab auch Jobsharing-Programme, aber es funktionierte nicht so leicht, es passend zum Studium zu stricken. Ich habe als Leiter einen verantwortungsvollen Job und Familie mit zwei Kindern. Meine Frau arbeitet ebenfalls in einer verantwortungsvollen Position in der IT einer großen Bank, da muss dann einiges organisiert werden. So dauerte es noch bis 2018 mit meiner Bewerbung und ich begann im April 2019 mit dem Marburger Studiengang.
ASW: Das Marburger Modell arbeitet mit mehrwöchigen Präsenzphasen, in denen man wie in einem Seminar mit den anderen Studierenden zusammen lernt, Gelerntes diskutieren und reflektieren kann und dann „Hausaufgaben“ für die Zwischenzeiten erhält. Kamen Sie damit zurecht?
Heidusch: Ich wusste gut, auf was ich mich einlasse, denn ich habe Gespräche mit Absolventen geführt, v.a. Pfarrer Till Schümmer, der in unserer Nachbargemeinde Vikar war. Er hatte dieses Modell durchlaufen und sehr ansprechend und umfassend davon berichtet. Doch trotz dieses Wissens und eigentlich guter Planung musste ich nach einem halben Jahr abbrechen. Das Zeitmodell passte nicht für mich. Aber ich wollte dran bleiben an den Fragen und der Reflektion, so begann ich die Prädikantenausbildung in der EKHN und wollte mich schon einmal um die alten Sprachen kümmern.
ASW: Ja, seit 2020 gibt es eine neue Rahmenordnung für die berufsbegleitenden Masterstudiengänge, die jetzt höhere Sprachanforderungen beinhalten.
Heidusch: Genau, so suchte ich nach einem Griechischkurs an der Evangelisch-theologischen Fakultät der Goethe Universität in Frankfurt. Ich begegnete da Herrn Dr. Rydryck, der schnell seine Menschenfischerfähigkeiten zeigte und mich auf den neuen MainMaster hinwies.
Dieses Modell der Universitäten Mainz und Frankfurt ist auf Wochenendtermine ausgelegt und in seinen Modulen leichter kombinierbar – übrigens auch mit regulären Semesterveranstaltungen. Außerdem habe ich beim Einstieg von der Digitalisierung und E-Learning durch Corona zeitlich profitiert. Zugleich bedeutete die Pandemie für die Luftfahrtbranche natürlich eine Katastrophe mit großem finanziellem und emotionalem Schaden, aber es fielen auch viele Dienstreisen weg, die eigentlich zu meinem Job gehören und ich konnte meine Arbeitszeit nun doch etwas reduzieren. Es passte jetzt einfach vieles für ein berufsbegleitendes Studium: Meine Kinder sind jetzt auch noch einmal älter und selbständiger als vor 6 Jahren und meine Frau konnte Ihre Arbeitszeit erhöhen.
ASW: Und wollen Sie jetzt Pfarrer werden?
Heidusch: Mir geht es um das Studium, um die Fragen und vielleicht auch etwas in mir abzuschließen, aber vor allem geht es darum, Antworten auf meine vielen Fragen zu entdecken. Oder vielleicht sollte ich sagen, meine Fragen für mich verstehen, Theologie durchdringen. Da ist so ein vielfältiger Studiengang genau richtig mit Sprachen, Geschichte, Textexegese, Philosophie und Praxis. Zielt ist mit fundiertem Wissen in der ehrenamtlichen Verkündigung tätig zu sein. Außerdem macht mir mein aktueller Beruf viel Freude. Mein 16-köpfiges Team in Frankfurt, Brüssel, Wien und Zürich ist toll und ich habe hochinteressante Kontakte in die ganze Welt.
ASW: Wie haben Ihre Vorgesetzten, Kolleg*innen oder Team auf Ihr Studium reagiert?
Heidusch: Ich weiß nicht, ob es an den Pandemiezeiten liegt, aber viele sind sehr offen dafür. Als ich einem Kollegen sagte, dass ich jetzt Griechisch lerne um Theologie zu studieren sah er mich freudig-lachend an und sagte: „Du machst ´was für die Ewigkeit!“ Oder ein anderer Kollege sprach mich neulich an und meinte: „Wir müssen uns mal zwei bis drei Stunden richtig gründlich darüber unterhalten, was du da jetzt studierst.“ Auch meine Vorgesetzten und mein Team zeigen große Offenheit für mein Theologiestudium.
ASW: Was ist für Sie das Besondere an Ihrem Studium?
Heidusch: Ich bin ein spiritueller Mensch. Ein Beispiel: In Japan hatte ich die Möglichkeit, einen Zengarten zu besuchen. Sie wissen, die Steingärten mit den geharkten Mustern. Ich bin sofort darin versunken, war davon sofort berührt. Diese spirituelle Ebene, die Reflektion des Lebens, der existentiellen Fragen, das fasziniert mich. Ich bin in meinem Job immer auch interkulturell unterwegs und manchmal gibt es auch interreligiöse Momente. Da tiefer zu wissen, wo man selbst steht, ist gut. Und gleichzeitig bin ich ja der Landeskirche verbunden, in der Praxis des christlichen Glaubens liegt meine geistliche Heimat. Da jetzt Wissen zu erlangen und nicht nur zu fühlen, tut gut.
ASW: Ein langer Weg, bis Sie sich diesen Fragen widmen konnten.
Heidusch: Ja, es war schon länger dran und plötzlich passte es. Mit dem MainMaster Modell funktioniert es gut. Das höre ich auch von den anderen in unserer Studienkohorte. Wir schätzen die Flexibilität des MainMaster, wer schneller studieren möchte, kann noch weitere Lehrveranstaltungen besuchen und eignen theologischen Interessen nachgehen – man kann sich aber auch mehr Zeit lassen als die vorgesehenen sechs Semester. Auch die Sprachen, oft ein ziemlicher Berg beim Studieneinstieg, sind auch im mittleren Lebensalter zu bewältigen, wenn das letzte Vokabellernen schon ein bisschen her ist. Vielleicht sollte man dann überlegen, ob man vor dem Studienbeginn bereits mit den Sprachen startet. Inhaltlich fand ich bisher alle Veranstaltungen und Themen sehr lohnend und interessant. Und nicht zuletzt erlebe ich auch die Lehrenden als mit viel Freude engagiert.
ASW: Dann wünsche ich Ihnen, dass es auch für die kommenden zwei Jahre so bleibt, weiterhin viel Freude beim Studium und Danke für das Gespräch.
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