Christin sein bedeutet Haltung in der Weite wagen
Julia Marburger ist neue Pfarrerin von Södel und Melbach
„Nur wenn ich ein Gebäude gut kenne,verstehe ich, worauf es ankommt. Dann lässt es sich an dem Gebäude gut weiter bauen.“ Julia Marburger, die neue Pfarrerin von Melbach und Södel, weiß wovon sie spricht. Sie ist Kind eine Bauunternehmersfamilie, darum schaut sie sich erst die Fundamente und tragenden Säulen an, bevor sie sich ans Umbauen macht. So will sie es in ihren neuen Gemeinden halten und so ist sie auch ihr Theologiestudium angegangen.
Dabei hat sie im Bau der evangelischen Kirche nicht nur tragende Säulen gefunden, sondern auch viel weiten Raum. Aufgewachsen ist die 31-jährige in einem neuapostolischen Elternhaus bei Sigmaringen in Oberschwaben. Doch während eines freiwilligen ökologischen Jahres in der Evangelischen Magnusgemeinde Worms, wo sie den Umweltgarten der Gemeinde betreute, lernte sie neue Formen des Glaubens kennen. „Weite und Freiheit im Glauben“ sind ihr seither wichtig. Sie wurde Protestantin und studierte in Mainz, Marburg und Münster evangelische Theologie. Die Freiheit des Glaubens, das ist in ihren Augen ein Schatz, mit dem die große evangelische Volkskirche viel zu zurückhaltend umgeht. Da hilft Marburger vielleicht der Blick einer, die von außen gekommen ist, aus einer kleinen Glaubensgemeinschaft, in deren Frömmigkeit sie eine „Tendenz zur Enge“ gespürt hat.
Weite im Glauben heißt für sie aber nicht Beliebigkeit. Vehement wehrt sie sich gegen diesen Vorwurf, der der Kirche heute oft gemacht wird. Es geht ihr nicht um darum, alles mitzumachen. Aber es weite den Blick, einen Schritt zurückzutreten - vom eigenen Glauben, von der eigenen Institution, um respektvoll und neugierig bei anderen zu schauen: Wie leben die ihren Glauben? Doch trotzdem müsse man genau wissen, wo man stehe: „Haltungslosigkeit kann man als Christin nicht haben“.
So leidenschaftlich Julia Marburger über Glaubensfragen spricht, so gut kann sie theologische Fragen in Alltagssprache übersetzen. „Jeder hat was, was ihn angeht – da findet man überall Gottes Spuren.“
Davon, dass der Austausch über Glaubensfragen in den Gemeinden Södel und Melbach weiter intensiv geführt wird, kann man ausgehen: Mit ihr ins Pfarrhaus zieht ihre Ehefrau Carina Schmidt-Marburger. Auch sie ist Theologin und hat im September ein Vikariat in Hirzenhain angetreten.
Wenn Julia Marburger nicht Pfarrerin geworden wäre, hätte sie vielleicht Försterin als Beruf gewählt. Umweltfragen sind ihr seit dem ökologischen Jahr wichtig. Und wenn es um Landwirtschaft geht, kann sie ganz emotional werden: „Ich habe so einen Respekt vor der Arbeit der Landwirte und dafür gibt es so wenig Wertschätzung“. Schon Wochen vor ihrem Amtsantritt hat sie sich über das Aktionsbündnis Bodenschutz in Wölfersheim informiert, das für den Erhalt wertvoller Ackerflächen kämpft. Sie steht für eine engagierte Kirche und die Begründung dafür findet sie in den Worten der Bibel. Das seien doch handfeste Texte für eine handfeste Wirklichkeit, nicht „fromme Wellness“. Kirche müsse nicht „in die Welt hinausgehen“ wie so oft gesagt werde. „Wir sind doch immer schon in der Welt und müssen nur rechts und links gucken“.
Bewusst hat sie entschieden, ihre erste Pfarrstelle im ländlichen Raum anzutreten. Sie ist überzeugt, dass sich viele gesellschaftspolitische Themen an der Befriedung von Stadt und Land entscheiden. Und ihre neuen Gemeinden bieten viel Platz für ihr aktuelles Freizeithobby: Sie trainiert für den Halbmarathon. Außerdem spielt sie gerne Gitarre, liebt Singer-Songwriter-Musik „und eigentlich alles, was Geschichten erzählt“. An Melbach und Södel gefallen ihr, dass es ein reges Vereinsleben gibt und dies zum Ausdruck bringt, wie viele engagierte Menschen dort leben. Die Weite der Wetterau lade dazu ein, den weiten Blick zu wagen.
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