„Der Gottesdienst kann auch mal ein Event sein“
Niklas Heupel hat in seinem Praktikum die Vielseitigkeit des Pfarrerberufes kennengelernt
Sein Sozialpraktikum in der evangelischen Kirchengemeinde beschreibt er als „unvergesslich und beeindruckend. Ich hatte Glück und konnte viel miterleben, ein Taufgespräch, Grundschulunterricht, Konfi-Stunden, eine Hochzeit und mehrere Todesfälle.“ Kaum hat er diesen Satz ausgesprochen, hält Niklas Heupel kurz inne, denn die Worte Glück und Tod wollte er eigentlich nicht in einem Atemzug nennen. Doch beide emotionalen Themen können eng beieinander liegen – im Alltag eines Seelsorgers tauchen sie manchmal innerhalb von wenigen Tagen auf. Das hat der 19-Jährige an der Seite von Pfarrer Markus Sauerwein in der Evangelischen Kirchengemeinde Rennerod im Westerwaldkreis während eines Praktikums erfahren. „Ich hätte nicht gedacht, dass der Beruf des Pfarrers so vielseitig ist“, sagt der junge Mann.
Im Evangelischen Gymnasium in Bad Marienberg, das Niklas Heupel nach der Grundschule besucht hat, steht in der Oberstufe ein zweiwöchiges Sozialpraktikum obligatorisch auf dem Stundenplan. Von den rund 60 Teenagern des Jahrgangs haben 40 in einer Kita den Beruf der Erzieherin näher kennengelernt. Niklas Heupel entschied sich als einziger Schüler für die Kirche. Er wollte gern Markus Sauerwein, den neuen Pfarrer in seinem Heimatdorf, dem 600-Seelenort Emmerichenhain, bei seiner Arbeit begleiten und wissen, was ein Seelsorger „so alles um die Ohren hat“.
Am Anfang stand für Niklas eine einfache Frage im Raum: „Man kennt den Pfarrer nur vom sonntäglichen Gottesdienst, doch was macht er eigentlich die ganze Woche über? Das Schreiben der Predigt kann doch nicht so lang dauern“, dachte sich der Praktikant. Er war erstaunt und sagt, er sei dankbar dafür, dass er mit dem Pfarrer über den Inhalt der Predigt sprechen durfte. „Herr Sauerwein wollte wissen, welche Meinung ich zu dem einen oder anderen Thema habe. Manchmal haben wir kontrovers diskutiert, oft waren wir aber derselben Ansicht. Da ist schon ein tolles Gefühl, wenn Du im Gottesdienst dann in der Predigt des Pfarrers auf einmal Deine Gedanken wiederfindest“, sagt der junge Mann und seine blauen Augen leuchten dabei. Er hat gespürt, dass er ernst genommen wird.
„Meine Generation wünscht sich einen Pfarrer, der frische Ideen hat und innovativ ist“, meint Niklas. Die Themen aus dem Leben der Menschen müssten in der Predigt auftauchen oder umgekehrt, die Gottesdienstbesucher sollten ihre Themen in der Predigt wiederfinden. Nach Ansicht des 19-Jährigen geht es um Verbindungen, Berührungs- und Anknüpfungspunkte, um Betroffenheit und den Bezug der Kirche, der Bibel zum realen Leben der Gemeindemitglieder. „Wenn junge Leute mitbestimmen könnten, würde der Gottesdienst auch mal ein Event sein“, sagt der ehemalige Gemeinde-Praktikant und stellt die für ihn rhetorische Frage, ob der Pfarrer nicht mal was Verrücktes machen dürfe?
Niklas Heupel bezeichnet sein Verhältnis zur Kirche als zwiespältig. Er ist getauft, konfirmiert, besucht regelmäßig mit Oma, Opa, den Eltern sowie seiner Schwester Gottesdienste und sagt, dass er im Glauben Kraft und Hoffnung schöpfe. Doch was den jungen Christen stört, sind allzu fromme Pfarrer, die verstaubte Gottesdienste halten, weltfremde Bibeltexte zitieren sowie konservative Kirchenvorstände, die nach der Devise verfahren, das haben wir schon immer so gemacht und das manchen wir auch künftig so. „Da vermisse ich Inspiration und Innovationen.“
Kirche sollte sich seiner Meinung nach auch als Dienstleister für die Menschen sehen und auf deren Bedürfnisse eingehen. Wie unflexibel die bei der Kirche verantwortlichen Personen sein können, hat er als Konfirmand erlebt. Die Pfarrerin bestand damals darauf, dass der Unterricht um 16 Uhr beginnen sollte. Doch Niklas kam erst um kurz vor fünf aus der Schule. „Das war ein Zirkus, bis sie schließlich nachgegeben und die Konfi-Stunde auf 17 Uhr verschoben hat.“ Außerdem fand er damals das Verhalten des Kirchenvorstandes während seines Praktikums seltsam. „Die wollten mich bei der Sitzung nicht dabei haben. Ich glaube, dass es vor allem junge Pfarrer mit den Kirchenvorständen in ihren Gemeinden nicht so einfach haben.“ Niklas Heupel erwähnt diese kritischen Punkte, weil sie für ihn persönlich entscheidend gewesen seien, trotz der Begeisterung für die Arbeit „seines Pfarrers Markus Sauerwein“ zum Pfarrerberuf letztendlich nein zu sagen und sich für ein Jura-Studium an einer Uni zu bewerben.
Die Erinnerungen an die Kirche seien aber dennoch positiv, betont er und schwärmt von der Konfi-Freizeit oder aktuell von Gottesdiensten, bei denen der Pfarrer auch mal zur Gitarre greift und „einen flotten Song spielt“. Wenn es gefällt, dürfen die Menschen auch applaudieren, meint Niklas. „Und überhaupt sollten viel öfter Konzerte in der Kirche stattfinden. Die Kirche muss doch mit der Zeit gehen.“ Dass das Gotteshaus, also die Kirche als Gebäude, meist nur eine Stunde in der Woche genutzt wird, findet Niklas seltsam. „Da müsste man mehr draus machen können.“
Nach seinem Praktikum steht für den jungen Mann eines fest: Im Pfarrerberuf sind wegen der Fülle der Aufgaben und der permanenten Auftritte in der Öffentlichkeit gute Typen gefragt, die viel Empathie besitzen und rhetorisch fit sein müssen. Und solche, die andere begeistern können. Es geht um das Wort Gottes, das heißt bei der täglichen Arbeit des Pfarrers seien die Gespräche mit den Menschen das Wichtigste. Niklas hat gemerkt, dass es für den Seelsorger nicht immer einfach ist, in Krisensituationen Antworten auf die Fragen der Menschen zu finden. „Doch viele Pfarrer schaffen das super, geben Hoffnung, zeigen Wege auf und können den Menschen helfen. Das bewundere ich.“
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