Das Berufsportal der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau

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Das Berufsportal der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN)

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    Kontinuität und neue Ideen bilden starkes Netzwerk

    Pfarrerin Martina Schefzyk ist seit einem Viertel Jahrhundert in einer Gemeinde

    Mit ihrem Widerstand und der verbalen Rebellion gegen die eigene Mutter, von der sich eine Tochter im Teenager-Alter durchaus distanzieren darf, hatte Martina Schefzyk Mitte der 1970er Jahre, als es um Studium und Karriere ging, keinen Erfolg. Ihre Mutter arbeitete als Berufsberaterin beim Arbeitsamt in Offenbach am Main und wusste deswegen selbstverständlich genau, was für Martina und ihre Schwester gut ist. Sie legte Wert darauf, dass ihre beiden Töchter eine gute Ausbildung erhalten, unabhängig und selbstständig arbeiten können und über ein eigenes Einkommen verfügen. Also sagte die Mutter damals zu der 18-Jährigen: „Du wirst Pfarrerin.“ „Nein das mache ich nicht“, erwiderte die Abiturientin lautstark. Doch der Satz verhallte. Tochter Martina war der Kirche schon damals sehr nahe, sie besuchte regelmäßig den Gottesdienst, arbeitete in der Gemeinde mit und hätte sich ein Berufsleben als Gemeindepädagogin oder Sozialarbeiterin durchaus vorstellen können. Aber Pfarrerin? Doch es kam so, wie es die Mutter prophezeit hatte. Tatsächlich stand Martina Schefzyk einige Jahre später auf der Kanzel und predigte. 

    „Ich bin Gottes Ruf gefolgt“ sagt die 57-Jährige aus Dreieich heute. Der war offensichtlich wirkungsvoll und nachhaltig, denn die Begeisterung für den Beruf Pfarrerin hält an. In der evangelischen Kirchengemeinde des Dreieicher Stadtteils Götzenhain hat Martina Schefzyk im Februar 2014 ihr 25-jähriges Dienstjubiläum gefeiert. Zuvor arbeitete sie nach dem Vikariat bereits einige Zeit bei Alzey in Rheinhessen als Pfarrerin. So viele Jahre ausschließlich auf einer Stelle und so viel Kontinuität im Amt, das sieht so aus, als hätte da jemand Probleme mit Veränderungen und Neuem? „Von wegen. Ich bin total offen und neugierig und möchte immer wieder etwas Neues ausprobieren“, sagt die Frau mit den blonden Haaren, die im Talar vor dem Altar mit ausgebreiteten Armen bei der Segnung im Gottesdienst wie ein Engel mit Flügeln wirkt. In ihrem neuesten Projekt geht es um Gottes Schöpfung. Sie reagiert damit auf einen besonderen Wunsch einiger Gemeindemitglieder: „Ein Gottesdienst mit Tieren“, sagt Pfarrerin Schefzyk, die selbst einen Hund hat und auf Elefanten steht – aus Stoff.

    Locker und leicht sei die Arbeit in der Kirchengemeinde anfangs überhaupt nicht gewesen, gibt Martina Schefzyk offen zu. Vor drei Jahrzehnten habe es in so mancher Stadt und vor allem im ländlichen Bereich noch Ressentiments gegenüber einer Pfarrerin gegeben, erinnert sie sich an ihre ersten Berufsjahre. Viele Menschen hätten ihr das Gefühl vermittelt, sie sei „nur“ die Frau des Pfarrers. Das stimmte einerseits auch, denn sie und ihr Mann teilten sich bis 1999 eine Pfarrstelle und arbeiteten täglich zusammen, bis Jürgen Schefzyk dann das  Bibelmuseum in Frankfurt aufbaute und später Direktor im „Bibelhaus Erlebnis Museum“ wurde. „Damals musste ich dem zuständigen Ausbildungsreferenten meinen Verlobten vorstellen, bevor ich mit ihm ins Pfarrhaus einziehen durfte.“

    EKHN/Peter BongardPfarrerin Martina Schefzyk

    Eine Frau auf der Kanzel - damals noch ungewöhnlich

    „Die predigt ja so gut wie ein Mann“, war einer der gut gemeinten Sätze aus der Gemeinde, die der Pfarrerin noch heute in den Ohren klingen. „Als Frau musst Du Dich mehr anstrengen, um akzeptiert zu werden“, so ihre Erfahrung. Martina Schefzyk spricht von einem Kampf, den sie in einer Zeit, als Frauen im Pfarramt noch exotisch waren, ab und an gegen die Traditionalisten in der Gemeinde auszufechten hatte. Außerdem habe es damals auch Kraft gekostet, die Verantwortlichen in der Kirchenverwaltung davon zu überzeugen, dass man Arbeitsplätze, also Pfarrstellen auch teilen kann. „Seltsamerweise gab es später sogar Viertelstellen“, sagt sie. Pfarrer in Teilzeit sind ihrer Ansicht nach immer ein Vorteil für die Kirche, denn „auf jeder halben Stelle geben Pfarrer ja mehr als 50 Prozent“. Als das Ehepaar Schefzyk in den 80er und 90er Jahren zwei halbe Stellen innehatte, waren die Rollen und Aufgaben in der Gemeinde traditionell verteilt. „Mein Mann saß im Bauausschuss und ich leitete die Frauengruppe und den Kirchenchor.“

    „Wer sich für diesen tollen Beruf entscheidet, sollte wissen, dass ihn eine große Vielfalt, aber auch ein umfangreiches Pensum erwartet.“ Die Arbeitssituation nehme manchmal extreme Züge an und deshalb sei es besonders wichtig, „dass man den Beruf liebt“, sagt die Pfarrerin. In der Kirchengemeinde gebe es ständig etwas zu tun. Der Feierabend verschiebt sich oft nach hinten. „Doch in der Arbeit steckt viel positiver Stress“, so Martina Schefzyk. Der Alltag zwischen Kirche, Konfirmanden und Kindergarten ist so abwechslungsreich und unterschiedlich, weil es dabei immer um Menschen geht. Und wie in kaum einem anderen Beruf sei die eigene Familie ziemlich stark involviert. Die Schefzyks haben drei Kinder und sie hatten zeitweise ein Pflegekind. In der Pfarrerfamilie ist es selbstverständlich, dass die beruflichen Themen der Eltern beim gemeinsamen Abendessen am Tisch mitserviert werden und manches diskutiert wird. „Selbstverständlich erfahren unsere Kinder da auch mehr über den Tod als in anderen Familien.“

    EKHN/Peter BongardImmer noch viele Ideen für Gemeinde - Pfarrerin Martina Schefzyk

    Vielseitiger Alltag zwischen Kirche, Konfirmanden und Kindergarten

    Die Arbeit in der kirchlichen Gemeinde spiegelt das ganze Leben wider. Auf der Zeitschiene gibt es mehrere Stationen, an denen die Menschen der Pfarrerin intensiv begegnen: Geburt, Taufe, Schule, Kindergottesdienst, Kindergarten, Konfirmation, Hochzeit, Tod, Beerdigung. Und manchmal kommt an einem Tag vieles zusammen. Morgens trifft sich Martina Schefzyk mit ihren Mitarbeiterinnen zum Dienstgespräch, danach ein Geburtstagsbesuch, Schule, um 13.30 Uhr eine Urnenbeisetzung, 15 Uhr Seniorennachmittag und um 18 Uhr mit Eltern zu einem Taufgespräch, bevor sie beim Elternabend im evangelischen Kindergarten über die Erweiterung der Kita und die Auswahl des Mittagessens diskutieren muss.

    Da ist oft ein Umswitchen angesagt und der Stimmungswechsel programmiert. Manchmal läuft das innerhalb von nur wenigen Stunden. Hier geht es um Tod und Trauer, beim nächsten Termin um Hochzeit und Hoffnung. Die Pfarrerin schlüpft beruflich in ganz verschiedene Rollen und sie bringt auch gern Abwechslung in den Gottesdienst, indem sie etwa eine Handpuppe oder verschiedene Symbole einsetzt. Dabei will Martina Schefzyk aber nie Schauspielerin sein oder eine Show machen, sondern mit einem ehrlichen Gefühl, mit Achtsamkeit für das Thema sowie den Augenblick und mit Gottes Hilfe bei den Menschen sein.

    Wenn sie freitags ihre Predigt für den nächsten Gottesdienst schreibt, bildet der Text auf dem Papier immer eine sichere Grundlage, die Martina Schefzyk auch braucht. Doch sie verändert die Zeilen auch spontan, wenn ihr zu Gesichtern Geschichten einfallen. „Kommt drauf an, wen ich im Gottesdienst sehe.“ Spürt die erfahrene Pfarrerin nach all den Berufsjahren auch noch  Lampenfieber? „Ja, ich bin zu Beginn immer noch aufgeregt, denn in der Predigt gebe ich ja auch immer etwas von mir. Aber das ist auch gut so.“

    Wer wie Martina Schefzyk ein Vierteljahrhundert lang in einer Kirchengemeinde arbeitet, hat ein starkes Netzwerk aufgebaut, viele soziale Kontakte geknüpft und Freunde gefunden. Genau diese Verbindungen halten die Familie in Götzenhain und haben bisher verhindert, dass die Schefzyks gehen. Zudem erleichtere es die Arbeit, wenn man Land und Leute und damit die Infrastruktur kenne, sagt die Pfarrerin. Sie gestaltet auch gern den Heilig Abend-Gottesdienst, wenn viele Menschen kommen, die man sonst in der Kirche selten oder gar nicht sieht. Martina Schefzyk ist der Ansicht, dass am Heilig Abend unbedingt die Pfarrerin, der Pfarrer und keine Vertretung predigen sollte. Damit zolle man den Besuchern dieses stark emotionalen Gottesdienstes Respekt. „Das ist wie eine Chefarztbehandlung.“

    Als ausgebildete Notfallseelsorgerin ist die Pfarrerin manchmal auch dort im Einsatz, wo schreckliche Dinge passiert sind und wo sie mit viel Leid konfrontiert wird. Auf die bei schweren Unfällen oft gestellte Frage nach dem Warum, gibt es keine Antwort. "Da bin ich auch schon mal sauer auf Gott. Aber dann begegnet mir auch wieder etwas Schönes. Gott findet einen Weg. Das merkt man manchmal aber erst im Nachhinein“, sagt Martina Schefzyk.

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